Nachhaltigkeit im Stahlbau – JETZT!
Ich hatte letztens eine sehr interessante Videokonferenz mit dem Architekten Sebastian Behmann. Das war nicht unser erster Kontakt, denn wir haben schon bei verschiedenen Projekten für sein Berliner Studio Other Spaces (SOS) (welches er seit 2014 mit dem dänischen Künstler Olafur Eliasson leitet) zusammengearbeitet. Persönlich hatte ich ihn bis zu diesem Zeitpunkt noch nie getroffen, aber wir haben während unserer Zusammenarbeit schnell gemerkt, dass wir uns auch über 380 Kilometer Entfernung gut verstehen. Er schätzt unsere Meinung bezüglich der Realisierung von Kunstobjekten und kann auch etwas mit unseren Hinweisen anfangen. So arbeiten wir auf Augenhöhe zusammen und erschaffen gemeinsam einzigartige Kunstwerke. Nach zweimaliger Verschiebung und technischen Schwierigkeiten kam die einstündige Videokonferenz mit Sebastian Behmann dann doch endlich zustande und ich wusste gar nicht so recht, über was er mit mir reden wollte. Ging es um ein neues Projekt? Oder vielleicht auch um Kritik an unserer bisherigen Zusammenarbeit?
Wie nachhaltig arbeitet HAHNER Technik?
Doch der Studio-Gründer hatte ein ganz anderes Thema auf dem Herzen und wollte mit mir über Nachhaltigkeit sprechen. Als namhaftes und renommiertes Kunst- und Architekturbüro steht er mit seinen Projekten in der Öffentlichkeit und nimmt eine Vorbildfunktion ein, da er mit seinem visionären Handeln Grenzen austestet, Richtungen aufweist und Fortschritt ankurbelt. Dementsprechend sind viele Augen auf das Studio gerichtet und nehmen dessen Kunstobjekte genau unter die Lupe. Und deshalb wollte sich Herr Behmann in der Videokonferenz mal ganz ausführlich mit mir über das Thema Nachhaltigkeit austauschen und dabei herausfinden, wie nachhaltig wir bei HAHNER Technik wirklich arbeiten und wie nachhaltig damit auch seine Kunstobjekte sind. Ich hatte mich zwar nicht spezifisch auf dieses Gesprächsthema vorbereitet, aber mich treibt die nachhaltige Produktion im Stahlbau schon seit Jahren um und ich hatte alle relevanten Informationen im Kopf. So konnten wir uns auf einem hohen Niveau über die Nachhaltigkeit von Stahl, Oberflächen, Lacken, Verzinkungen und über Themenaspekte wie beispielsweise die Wiederverwertung von Baumaterialien und den Cradle-to-Cradle-Ansatz unterhalten.
„Ein Rat an alle Handwerker-Kollegen: Bereitet euch auf das Thema Nachhaltigkeit vor! Auch wenn es jetzt in eurem Alltag vielleicht noch keine Rolle spielt, in Zukunft werdet ihr aus jeder Richtung darauf angesprochen.“
Innovative Lösungen gestalten die Zukunft
Nachhaltigkeit ist im Stahlbau kein abstrakter Begriff mehr, sondern an allen Ecken und Enden werden innovative Lösungen für eine klimafreundliche Herstellung gesucht und gefunden. Heutzutage sind schon Hallenwände komplett aus Wellpappe oder Hanf denkbar. Auch wir haben erste Pappwände zu Testzwecken auf dem Gelände stehen, um uns mit dem neuen Baumaterial vertraut zu machen. Aluminium kann aus 75 % Recyclinganteil hergestellt werden und Stahl besteht oftmals zu 100 % aus recycelten Baumaterialien, da er auch nach dem Einschmelzen die gleiche Qualität aufweist wie das Ausgangsmaterial. Der Aufwand von Energie und Ressourcen für die Herstellung von Stahlkonstruktionen ist eine weitere Stellschraube, an der wir heute schon drehen können. Dank Solaranlagen auf dem Dach produzieren wir 780.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr – mehr als wir für unsere Produktionsanlagen benötigen. Unser Ziel ist der klimaneutrale Stahlbau – und wir sind auf einem sehr guten Weg dorthin, weil wir schon früh damit angefangen haben, alle Bestandteile unserer Produktion auf den Klima-Prüfstand zu stellen und sie entsprechend zu modernisieren.
Schon beim Bauen ans Recyceln denken
Auch in öffentlichen Ausschreibungen ist die nachhaltige Produktion immer häufiger eine zwingende Voraussetzung für die Auftragsvergabe. Wer hier nicht schnellstmöglich nachrüstet, dem gehen in Zukunft immer mehr Einnahmenquellen durch die Lappen. Ich war neulich bei einem Workshop zum Thema „Building Information Modeling“ – sprich: Digitalisierung des Baus im weitesten Sinne. Ziel ist es, alle relevanten Daten eines Bauwerks digital zu erfassen, zu kombinieren und zu modellieren. Diese Daten ermöglichen eine ganz neue Art der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten an einem Bauwerk. So können Informationen schneller ausgetauscht werden, ohne dass sich dabei Fehler einschleichen. Beim Thema Nachhaltigkeit sind diese Daten die Grundlage für das sogenannte „Urban Mining“. Dabei werden die neu errichteten Bauwerke von heute als Rohstoffquellen für die Bauwerke von morgen betrachtet. Beim Abriss eines Gebäudes in ferner Zukunft landen die einzelnen Gebäudeteile nicht mehr auf dem Müll, sondern das Bauwerk wird wieder in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und für das Errichten neuer Gebäude verwendet. Dafür benötigen die Stahlbauer der Zukunft jedoch umfassende Daten über alle in der Gegenwart verwendeten Baumaterialien, zum Beispiel über Schadstoffe. Mit der Digitalisierung ist das Erfassen aller Daten eines Bauwerks kein Problem mehr, allerdings muss es in der Praxis auch noch umgesetzt werden. Und die erhobenen Daten müssen an einem zentralen Ort gespeichert und über Generationen hinweg abrufbar sein, damit unsere Enkelkinder und deren Kinder auch noch etwas damit anfangen können. Das nenne ich eine wirklich lohnenswerte Investition in die Zukunft.
Investition in Forschung statt in Aktien
Stahl lässt sich im Elektro-Ofen zwar 1:1 recyceln, doch die Herstellung aus Eisenerz und Koks im Hochofen ist alles andere als umweltfreundlich. Auch hier wird bereits an alternativen Herstellungsmethoden geforscht, bei denen beispielsweise Wasserstoff zum Einsatz kommt. Ich hoffe doch sehr, dass die Stahlpreise im ersten Halbjahr 2021 so stark gestiegen sind, weil das Geld für die Erforschung nachhaltiger Herstellungsprozesse benötigt wurde – und nicht nur für das Auszahlen der Shareholder. Aus meiner Sicht ist Stahl zu billig, wenn man alle damit verbundenen Umweltfaktoren mitbedenkt. Aber solche plötzlichen Preisschwankungen – wie wir sie aktuell erleben – entbehren jeder nachvollziehbaren Grundlage.
PS: Die schnelle Verdopplung der Stahlpreise Anfang 2021 hat einige Betriebe in Zahlungsschwierigkeiten gebracht. Stahlbauer können die gestiegenen Materialkosten nicht einfach an ihre Kunden weitergeben, da sie an ihr ursprünglich erstelltes Angebot gebunden sind. Also bleiben sie auf den Kosten sitzen und müssen den Auftrag mit Minusgeschäft zu Ende bringen oder den Verlust bei fallenden Materialpreisen im weiteren Projektverlauf wieder ausgleichen. So eine ähnliche Entwicklung hatten wir 2008 schon mal, danach hat sich der Preis wieder stabilisiert. Damals wurde der Ruf nach einer Materialpreisgleitklausel laut – speziell für öffentliche Auftraggeber. Hierdurch kann der Stahlbauer sein Angebot im Laufe des Projekts anpassen, wenn sich beispielsweise der Materialpreis innerhalb der Projektdauer nachweislich erhöht. Allerdings ist so eine Klausel nur sinnvoll, wenn sie von Anfang an im Vertrag drinsteht. Auf der Spitze der Preisentwicklung kann solche eine Klausel weder schnell genug umgesetzt werden, noch hätte sie zum jetzigen Zeitpunkt einen gewinnbringenden Effekt. Stattdessen sollten wir an dem Gedanken auch nach der Preisstabilisierung festhalten und uns damit auf die nächste Krise vorbereiten, anstatt die Materialpreisgleitklausel einfach wieder zu vergessen, sobald die Stahlpreise wieder stimmen.