Unsere Anleitung zum Querdenken
In unserer Tochterfirma Texmer produzieren wir Abroll-Gatter für alle möglichen Arten von Fäden. Vor allem Carbonfasern sind extrem empfindlich und müssen sehr schonend auf- und abgewickelt werden. Hierfür beschichten wir unsere Gatter mit strukturierten Chromschichten der Firma Topocrom. Die verchromten Rollen versenden wir von Petersberg-Böckels aus in die ganze Welt – und hier liegt das Problem. Ursprünglich haben wir diese sehr hochwertigen und teuren Bauteile in Folie eingewickelt und eingeklebt, sodass sie für den Transport gut geschützt sind. Die verpackten Rollen sind beim Kunden angekommen, von außen war nicht ersichtlich was da eingewickelt ist. Also wurde beim Auspacken das Cuttermesser angesetzt und schon waren Kratzer in der Oberfläche. Die Rollen wurden reklamiert. Das hat alle Beteiligten frustriert, schließlich wollen wir unseren Kunden einwandfreie Bauteile à la „Made in Germany“ liefern. Also kam später statt Folie ein Netzstrumpf aus Kunststoff zum Einsatz, um die Rohre besser zu verpacken. Dieses Mal war der Schlauch transparent, sodass der Inhalt sichtbar war. Doch das Material ist extrem reißfest, also kam wieder das Cuttermesser zum Einsatz – wieder hat der Kunde die Rohre mit Kratzern reklamiert. Ein scheinbar unlösbares Problem, das uns viele Jahre lang beschäftigt hat.
a) Kombinieren
Ortswechsel: Der Texmer-Geschäftsführer Lothar Fleck hat Geburtstag und bekommt wie all unsere Mitarbeiter einen Obstkorb von Hansenobst vom Betrieb geschenkt. Darin ist auch eine Banane, die für den Transport in ein Netz aus Styropor eingepackt ist. Herr Fleck nimmt das Netz, geht zu den verchromten Rohren, zieht das Netz über eines der Rohre und es passt wie angegossen. Vorteil: Durch das dicke Styropor ist das Rohr gut geschützt, während gleichzeitig die Oberfläche sichtbar ist und sich das Material leicht auftrennen lässt. Perfekt für unsere Ansprüche. Über die Firma Hansenobst hat Herr Fleck dann den einzigen Hersteller in Deutschland für solche Styropornetze ausfindig gemacht. Seitdem verpacken wir die verchromten Bauteile in Styropornetze – und die Reklamationen bleiben aus. Wer hätte gedacht, dass die Lösung in Form eines Obstkorbs in unser Haus kommt? Doch dazu braucht es Mitarbeiter, die querdenken, die Augen offenhalten, sich inspirieren lassen und völlig verschiedene Sachen miteinander kombinieren. Zum Glück haben wir bei HAHNER Technik ganz viele davon, weil das Andersdenken zu unserer Unternehmenskultur und unserer täglichen Arbeit gehört.
b) Vereinfachen
Im Rahmen von komplexen Konstruktionen, Prozessen und Problemen denken wir oft zu kompliziert und übersehen dabei die einfachste Lösung. Deshalb ist es wichtig, auch mal einen Schritt zurück zu machen, das Problem von außen zu betrachten und dann vielleicht einen völlig neuen Lösungsweg auszuprobieren. Darauf kommt man teilweise gar nicht, wenn man gedanklich immer um den gleichen Ansatz kreist. Das passiert mir im Geschäftsalltag immer wieder, dass ich meinen Mitarbeitern eine Lösung vorschlage, die dann aber mit einer ganz anderen Lösung zurückkommen, die noch besser ist. Indem sie zum Beispiel ein Bauteil weggelassen oder ersetzt haben. Das freut mich immer besonders, wenn sich meine Mitarbeiter nicht blind auf mich verlassen und nur Arbeit nach Vorschrift machen, sondern meine Vorschläge hinterfragen und versuchen besser zu machen.
c) Hinterfragen
Manchmal ist eine Lösung schnell gefunden und dann sind alle damit zufrieden, weil sie funktioniert und das Problem löst. Aber ist das wirklich die beste Lösung? Bei HAHNER Technik stellen wir unsere Prozesse und Lösungen immer wieder auf den Prüfstand und versuchen uns ständig zu verbessern. So haben wir für eine Halle mal einen Druckstab aus fünf Teilen gefertigt – und uns damit zufriedengegeben. Später haben wir erkannt, dass wir den Druckstab auch aus drei Teilen herstellen können. Inzwischen geht es sogar mit einem Teil und ganz ohne schweißen. Diese Möglichkeiten hatten wir damals noch nicht und deshalb sind wir auch nicht auf die Idee gekommen. Aber wir haben das Produkt weiterentwickelt und könnten den Druckstab heutzutage viel effizienter fertigen als damals.
d) Die Perspektive wechseln
Wenn man selbst nicht aus seinem Gedankenstrudel ausbrechen kann, dann muss eben mal eine völlig andere und fachfremde Person auf das Problem draufschauen. Dabei kommt vielleicht ein ganz neuer Ansatz heraus, an den man vorher noch gar nicht gedacht hat. So brauchten wir für unsere Fertigungshalle ein riesiges Tor, um Lackiererei und Werkstatt voneinander zu trennen. Die Kosten für so ein Tor liegen bei rund 100.000 Euro. Meine Tochter hat von dem Problem gehört und sagte zu mir, dass sie in der Turnhalle in der Schule auch so ein Tor haben, um die große Halle aufzuteilen. Ich bin der Idee nachgegangen und schließlich haben wir so ein Folientor wie in der Sporthalle für 30.000 Euro einbauen lassen, welches den Zweck, Werkstatt und Lackiererei voneinander zu trennen, voll erfüllt. Das passiert, wenn das Problem aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Es kommen ganz unterschiedliche Assoziationen, Ideen und Lösungsansätze dabei heraus. Was hat der Sportunterricht meiner Tochter mit dem Stahlbau zu tun? Auf den ersten Blick nichts, aber jetzt haben wir eine Turnhallentrennwand als Tor in unserer Halle eingebaut.
e) Auch mal andere ranlassen
Als leidenschaftlicher Metallbauer, Tüftler und Chef fällt es mir manchmal schwer die Verantwortung abzugeben. Denn ich suche selbst so gern nach der perfekten Lösung. Allerdings habe ich inzwischen gar nicht mehr die Kapazitäten und stecke auch nicht mehr so tief in den Projekten und Themen drin, um immer an vorderster Front zu tüfteln. Deshalb ermutige ich meine Mitarbeiter zum Freidenken und selbstständigen Arbeiten, denn oft kommen sie auf bessere Lösungen als ich. Zum Beispiel bei einem cleveren Give-away für die Trend-Messe in Fulda. Meine Idee war eine drehbare und klappbare Blume aus Metall, die von den Messebesuchern eigenständig aufgestellt werden kann. In meiner Vorstellung war die Blume jedoch sehr nah an einer echten Blume dran, nur eben aus Metall. Meine Idee landete auf dem Tisch unserer Auszubildenden Technischen Zeichnerin in der Konstruktionsabteilung. Und sie gestaltete eine abstrahierte und stilisierte Blume, die wesentlich moderner wirkt und besser zur Trend-Messe passt. Meine Nachahmung einer natürlichen Blume wäre für dieses Projekt nur eine Krücke gewesen. Mit dem Ergebnis sind wir sehr zufrieden und das hat mir wieder einmal gezeigt, dass ich mich auf meine Mitarbeiter verlassen kann, auch wenn sie vielleicht ganz andere Ansätze und Lösungen im Kopf haben als ich. Das Ergebnis ist entscheidend.