Die FOS hat mir meinen Weg gezeigt
Warum hat die Ferdinand-Braun-Schule in Fulda ausgerechnet mich gefragt, ob ich einen Vortrag zu ihrem 50-jährigen Jubiläum beisteuern könnte? Natürlich war ich selbst Schüler an der Fachoberschule. Doch ansonsten habe ich mich sehr durch meine Schulzeit gequält und kann dem hessischen Schulsystem bis heute nicht viel abgewinnen. Denn ich bin ein durch und durch praktisch veranlagter Mensch und hatte im Werkunterricht immer eine Eins im Zeugnis stehen. Mit vielen anderen Schulfächern konnte ich dagegen nichts anfangen. Schule und ich passten einfach nicht zusammen.
Einschulung – 9 Jahre Knast stehen bevor
Als drittes von vier Kindern bin ich in den 60er und 70er Jahren auf einem Bauernhof aufgewachsen. Hier gab es viel zu entdecken und ich konnte mit anpacken. Das war viel schöner als im Kindergarten, deshalb habe ich den Kindergarten gar nicht erst besucht. Mit sechs Jahren ging es dann auf die Schulzeit zu, aber ich bin im August geboren und hatte noch ein Jahr länger Zeit bis zur Einschulung. Auf die Schule hatte ich gar keine Lust. Als natürlicher Linkshänder wurde ich dazu gezwungen mit rechts zu schreiben. Als nicht geprüfter Legastheniker musste ich vor der Klasse laut vorlesen und Diktate üben. Dabei rutschte mein Selbstbewusstsein immer weiter in den Keller. Es war eine selbsterfüllende Prophezeiung: Ich hasste die Schule und die Schule hasste mich.
Realschule – Schwächen aufzeigen statt Stärken fördern
Entsprechend meiner Leistungen bekam ich nach der Grundschule auch keine Empfehlung für eine weiterführende Schule. Stattdessen absolvierte ich die 5. Klasse doppelt: einmal auf der Hauptschule und danach auf der Realschule. Hier ging die Quälerei weiter. Statt meine Stärken zu fördern und mich auf das Berufsleben vorzubereiten, wurden mir vor allem meine Schwächen aufgezeigt. Ich hatte kein Interesse an den theoretischen Inhalten, die bei uns auf dem Lehrplan standen. Viel mehr interessierte ich mich für die praktischen Tätigkeiten, für die ich ein gewisses Talent habe. So konnte ich mit 16 Jahren bereits löten, schweißen, mit Holz arbeiten, einen Traktor reparieren, die Ballenpresse bedienen und vieles mehr. Das machte mir Spaß! Und als ich während der Realschule ein Praktikum in einer Motorrad-Werkstatt absolvierte, war das relativ langweilig. Denn das was da von den Azubis verlangt wurde, das konnte ich alles schon. Mit viel Ärger und Nachhilfe habe ich dann trotzdem mit 18 Jahren meinen Realschul-Abschluss gemacht. Doch wie sollte es weitergehen?
Fachoberschule – Lernen mit Sinn
Zu dieser Zeit hatte ich einen guten Freund, dessen Moped schneller fuhr als meins. Und ich verstand nicht genau, warum. Bis ich herausfand, dass mein Freund auf der FOS war und daher mehr Wissen hatte als ich. Da wurde ich neugierig. Auch wenn ich mir Abitur oder gar Studium nach meinen bisherigen Erfahrungen an der Schule eigentlich nicht vorstellen konnte, meldete ich mich bei der Ferdinand-Braun-Schule an. Und das war die beste Entscheidung, die ich für meinen weiteren Lebensweg hätte treffen können. Denn aus der Praxis wusste ich schon, wie was funktioniert. Auf der FOS erfuhr ich nun, warum das so funktioniert. Ich bekam den theoretischen Hintergrund zu meinen Lieblingstätigkeiten vermittelt – und plötzlich machte lernen Spaß! An der Fachoberschule wurde nicht allgemeines Wissen vermittelt, sondern die Lehrer unterstützten meine Fähigkeiten, sodass ich mich entfalten und besser werden konnte. Hier habe ich den Glauben an mich selbst wiedergefunden, den ich vorher fast verloren hätte.
Respekt ist der Schlüssel zum Selbstbewusstsein
An der FOS habe ich auch gemerkt, wie wichtig ein respektvoller Umgang miteinander ist. Plötzlich wurden wir Schüler mit „Sie“ angesprochen und durften in den Pausen auch mal das Gelände verlassen. Wir waren „die Ingenieure von morgen“! Und hier traf ich auf Gleichgesinnte, die ähnliche Interessen und ähnliche Schwächen hatten wie ich. Hier haben nicht irgendwelche Lehrer über mein Leben bestimmt, sondern ich hatte meinen Werdegang selbst in der Hand. Kontakt auf Augenhöhe – diese Umgangsform ist mir auch heute mit meinen Mitarbeitern bei HAHNER Technik besonders wichtig. Denn nur wenn alle respektvoll miteinander umgehen, kann sich jeder wohlfühlen und seine Stärken ausspielen. So macht die gemeinsame Arbeit Spaß.
Vom Problemkind zum Ausnahmetalent
Schule hat mir das erste Mal Spaß gemacht, weil ich einen Sinn in der Theorie gesehen habe. Ich habe erkannt, wofür Physik, Chemie und Mathe eigentlich gut sind und dass dahinter nicht nur abstrakte Formeln zum Quälen der Schüler stecken. Auch fiel mir das Lernen an der FOS wesentlich leichter und mein Selbstbewusstsein kam allmählich wieder zurück. In der Werkstatt der Fachoberschule galt ich als Ausnahmetalent. Ich konnte innerhalb von fünf Minuten einen Bohrer anschleifen, wofür andere normalerweise zwei bis drei Tage brauchen. Durch diese Förderung meiner Fähigkeiten und Interessen konnte ich mich wieder mit der Schule versöhnen – zumindest mit der FOS. Auch ging die Zeit an der Ferdinand-Braun-Schule sehr schnell vorbei. Und danach bin ich tatsächlich studieren gegangen und habe mit 24 meinen Abschluss im Maschinenbau gemacht. Das hätte ich mir als Jugendlicher nie träumen lassen. Aber die FOS hat mich auf den richtigen Weg gebracht und ich habe meine Bestimmung gefunden – als Gründer eines 150-Mann-starken Stahlbauunternehmens. Zum 50-jährigen Jubiläum der FOS sage ich „Danke!“ und fühle mich geehrt, dass ich für einen Festvortrag angefragt wurde. Vielleicht war ich doch der richtige Mann dafür. Und allen Schülern möchte ich sagen: Lasst euch vom Schulsystem nicht klein reden! Jeder hat seine Stärken und es kommt die Zeit, zu der ihr sie entfalten könnt.