[Rück]Blick in die Zukunft des Stahlbaus
Wer bei den vergangenen Stahlbau-Infotagen am 14. und 15. Oktober 2022 dabei war, hat sie hoffentlich genauso gespürt wie ich. Sie schwang in jedem einzelnen Beitrag mit und war auch in den Kaffeepausen, während der Werksführung und beim gemeinsamen Abendessen spürbar. Es war diese Magie, Teil eines Netzwerks zu sein, das sich gemeinsam über die Zukunft des Stahlbaus unterhält. Für mich persönlich waren es Tage voller Highlights, mit abwechslungsreichen Beiträgen und interessanten Menschen, von denen man noch etwas lernen kann.
Aus Erfahrung weiß ich, dass bei Stahlbauprojekten viele Gewerke involviert sind. Es ist fast unmöglich, alles im Detail zu wissen. Ich verstehe die Stahlbau-Infotage daher als Einladung: Fachingenieure aus dem Stahlbau tauschen sich mit Gästen aus den Bereichen Architektur, Statik und Bauingenieurwesen, Wissenschaft, Planung, Konstruktion aus, um voneinander zu lernen und ein besseres Verständnis füreinander zu bekommen. Und um gemeinsam in die Zukunft zu blicken.
Eine Zukunft für Hydro-Beschichtungsstoffe (?!)
In die Zukunft haben wir beispielsweise mit Thomas Böhm geblickt. In seinem Beitrag über Hydro-Beschichtungsstoffe für den Korrosionsschutz wurde klar, dass wasserverdünnbare Lacke zwar nachhaltiger sind als herkömmliche. Mit Blick in die Zukunft sind aber auch hier noch viele Herausforderungen zu überwinden. Längere Trockenzeiten und damit einhergehend ein größerer Platzbedarf sowie ein höherer Energieeinsatz während der Verarbeitung treiben die Preise für Projekte mit Hydro-Beschichtungsstoffen in die Höhe. Die Tatsache, dass trotz wasserverdünnbarer Lacke am Ende der Lebensdauer auch eines solchen Systems Mikroplastik entsteht, war für mich ein weiteres Aha-Erlebnis.
Auch wenn die oben beschriebenen Aspekte im ersten Moment eher gegen den Einsatz von wasserverdünnbaren Lacken sprechen: Wir müssen uns mit nachhaltigeren Wegen beim Lackieren beschäftigen, denn auf kurz oder lang werden uns gesetzliche Regelungen vorgeben, was zukünftig verarbeitet werden darf. Und es sollte jedem von uns ein Anliegen sein, den eigenen CO2-Fußabdruck so gering wie möglich zu halten.
Bewusstsein für eine Zwickmühle
Im Beitrag von Ralf Steinmann, bei dem es um Ausschreibungen für den Stahlbau ging und der sich als Moderator zwischen ausschreibendem Architekten und ausführendem Handwerker versteht, ist mir folgendes Dilemma bewusst geworden: Die Ausschreibung für ein Bauprojekt muss zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem die Detailplanung noch nicht abgeschlossen ist. Gleichzeitig wird aber die Detailplanung für eine korrekte Ausschreibung der Bauleistungen gebraucht. Da hilft es, mehr Verständnis für beide Seiten aufzubringen und offen darüber zu sprechen.
Außerdem hat Ralf Steinmann darüber hinaus klargestellt: Die Anschlussstatik muss immer als Zusatzleistung vergeben und auch vergütet werden. Sie ist nach HOAI niemals automatisch Teil der allgemeinen statischen Berechnungen, aber auch nicht automatisch Teil der Werkstattplanung. Ein wichtiges Learning aus seinem Beitrag.
Deutschland ist zwar Export- aber lange noch kein Regelweltmeister
Was in Österreich schon lange schwarz auf weiß geregelt ist, wird in Deutschland als Präzedenzfall betrachtet: der Schutz vor Vogelschlag bei Glasfassaden. Oliver Windeck machte in seinem Beitrag deutlich, dass Deutschland dringend seine Hausaufgaben erledigen muss, damit zukünftig bei großen Glasfassaden die richtigen Maßnahmen für den Schutz der Vögel getroffen werden.
Womöglich habe ich das schon öfter erwähnt: „Man muss nicht alles wissen. Man muss nur wissen, wo es steht – oder jemanden kennen, der einem weiterhilft.“ Das ist genau das, worum es auch bei den Stahlbau-Infotagen geht: um Vernetzung, Austausch auf Augenhöhe und um die Gelegenheit, über den Tellerrand zu schauen.
Für mich waren es sehr erhellende Tage. Und ich hoffe, dass auch alle Gäste diese Begeisterung gespürt und die Energie daraus für sich mit nach Hause genommen haben. Allen, die ihr Wissen in den Beiträgen geteilt haben, danke ich an dieser Stelle ganz besonders. Ich freue mich, wenn wir weiterhin gemeinsam den Blick in die Zukunft wagen – trotz oder gerade wegen der Herausforderungen, die uns allen bevorstehen.
Das waren die Stahlbau-Infotage 2022